Sind Bauträger Baubetriebe?
Mit seiner Entscheidung vom 14.07.2021 - 10 AZR 190/20 - hat der 10. Senat des Bundesarbeitsgerichts klargestellt, dass ein Betrieb nur dann dem betrieblichen Geltungsbereich der Verfahrenstarifverträge des Baugewerbes unterfällt, wenn in ihm überwiegend die in § 1 Abs. 2 Abschn. I bis V der Verfahrenstarifverträge genannten Leistungen erbracht werden. Um dies zu beurteilen, kommt es grundsätzlich auf die arbeitszeitlich überwiegend versehene Tätigkeit der Arbeitnehmer an. Dafür ist sowohl die Arbeitszeit der gewerblichen Arbeitnehmer als auch die der Angestellten zu berücksichtigen. Dabei werden Betriebe, in dem die Arbeitnehmer arbeitszeitlich überwiegend Grundstücke entwickeln, beplanen, durch Subunternehmen bebauen lassen, vermarkten und veräußern, als Bauträgerbetriebe nicht von den Verfahrenstarifverträgen der Bauwirtschaft erfasst.
Das Bundesarbeitsgericht weist jedoch darauf hin, dass die von Angestellten versehene Tätigkeiten, die isoliert betrachtet nicht als baugewerblich einzuordnen sind, baugewerblichen Charakter haben können, wenn sie im Zusammenhang mit baugewerblichen Tätigkeiten erbracht werden. Bei den regelmäßig von Angestellten versehenen Tätigkeiten kann es sich dann um Tätigkeiten mit baulichem Charakter handeln, wenn sie in einem Betrieb im Zusammenhang mit baugewerblichen Tätigkeiten ausgeführt werden.
Der Fall:
Das beklagte Unternehmen beschaffte im Streitzeitraum Grundstücke, entwickelte und steuerte Projekte, plante die Projektentwicklung und die Baubetreuung. Darüber hinaus versah sie Vertriebs-, Mietverwaltungs- und Buchhaltungsaufgaben sowie Hausreinigungs- und Gartenpflegearbeiten.
Auf den Baustellen vor Ort waren regelmäßig zwei gewerbliche Arbeitnehmer tätig. Zum einen kontrollierten sie die Bauarbeiten und beschafften Material, zum anderen fuhren sie zumindest auch einen Kran auf den Baustellen. Ihre Tätigkeit machte im streitigen Zeitraum 20 % der betrieblichen Gesamtarbeitszeit aus.
Daneben waren neun Angestellte in Voll- und Teilzeit mit unterschiedlichen Tätigkeiten beschäftigt. Sie assistierten der Geschäftsführung und erledigten Buchhaltungs- sowie Verwaltungsarbeiten, darunter die Mietverwaltung. Sie planten Veranstaltungen, führten Musterhausbesichtigungen durch und übernahmen den Vertrieb von Immobilien. Teilweise überwachten sie Baustellen, führten Ausschreibungen durch, prüften Eingangsrechnungen, waren Ansprechpartner für Kunden und erstellten Planungs- sowie Ausführungspläne.
Das Arbeitsgericht Wiesbaden hat die Klage der Urlaubskasse abgewiesen. Auch nach Feststellung des Hessischen Landesarbeitsgerichts sei der Geltungsbereich des Verfahrenstarifvertrages für den Gesamtbetrieb nicht eröffnet. Es handle sich um einen Bauträgerbetrieb, für den die Tätigkeit der Angestellten mit einem Anteil von 80 % an der betrieblichen Gesamtarbeitszeit prägend sei. Im Vordergrund stehe der Verkauf des Grundstücks zusammen mit dem schlüsselfertigen Bauobjekt. Die eigentlichen Bauarbeiten lasse der Bauträger grundsätzlich durch Subunternehmen erledigen. Damit unterscheide sich der Betriebszweck von dem eines reinen Baubetriebs oder auch von Bauherren, die für den Eigenbedarf bauten. Soweit die Angestellten zum Teil auch bauliche Zusammenhangsarbeiten versehen hätten, führten diese Arbeiten nicht dazu, dass der gesamte Betrieb als baugewerblich einzuordnen sei. Eine Beitragspflicht bestehe jedoch für die beiden gewerblichen Arbeitnehmer, die eine selbständige Betriebsabteilung bildeten.
Die Entscheidung:
Die der Urlaubskasse zugelassene Revision sei nach Ansicht des BAG begründet. Mit der vom Landesarbeitsgericht gegebenen Begründung könne die auf Beiträge für Angestellte gerichtete Klage nicht abgewiesen werden. Mit Blick darauf, dass die Verfahrenstarifverträge auch Angestellte erfassten, sei auch deren Tätigkeit erheblich und könne nicht „als neutral“ gewertet werden. Die Beklagte könne auch für die Angestellten der Beitragspflicht nach den Verfahrenstarifverträgen des Baugewerbes unterliegen, wenn die als Bauträgertätigkeit dargestellten Arbeiten Zusammenhangsarbeiten zu baulichen Hauptleistungen seien. Die Tätigkeiten der Angestellten seien daher dahin zu überprüfen, ob sie Teil der Bauträgertätigkeiten seien und/oder mit den baugewerblichen Arbeiten zusammenhingen. Es obliege dem in Anspruch genommenen Arbeitgeber, entsprechende Tatsachen vorzutragen, aus denen sich ergäbe, in welchem Umfang welche Tätigkeiten ausgeübt würden und welchem Zweck sie dienten.
Das Bundesarbeitsgericht hat die Entscheidung des Hessischen LAG aufgehoben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Landesarbeitsgericht zurückverwiesen.
Hinweis:
Für ein erfolgreiches Bestreiten der Forderungen der Urlaubskasse wird es mehr noch als in der Vergangenheit darauf ankommen, auch die Tätigkeiten der Angestellten konkret darzulegen.
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